Steinmauern
Fast vier Jahre lang schaute Wolfgang auf Mauern aus Stein oder Beton. Es waren sehr alte Mauern. Die Steinmauern gehörten zur Haftanstalt II des Ministeriums für Staatssicherheit in Ost-Berlin und später zur Untersuchungshaftanstalt Neu-Strelitz. Die Betonmauern gehörten zur Strafvollzugsanstalt Bautzen I.
Die Zeit hatte Spuren auf den Steinen im Untersuchungsgefängnis hinterlassen. Die ersten Monate zählte Wolfgang die Steine in seiner fensterlosen Zelle von links nach rechts, eine Reihe nach der anderen. Er kam auf insgesamt 1371 Stück.
Da das Zählen nach einiger Zeit langweilig wurde, schaute sich Wolfgang irgendwann jeden Mauerstein genauer an. Er versuchte, die Farben und Oberflächen zu unterscheiden. Er versuchte, das Besondere, das man in jedem einzelnen Stein sehen konnte, zu identifizieren. So wie jeder Mensch ja auch etwas Besonderes ist, was man vielleicht nicht immer sieht, wenn man nicht genauer hinschaut.